Gedanken zum Palmsonntag

- von Kaplan Dr. Justin Kishimbe -

 

"Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben."

 

Seit Aschermittwoch ist die Kirche in die heiligen vierzig Tage der Buße und der Umkehr eingetreten. Bekanntlich ist das Ziel dieser Tage Ostern. Wie Sonntag die Mitte der christlichen Woche ist, so ist Ostern das Highlight des Kirchenjahres - das Fest der Feste. Auf dem Weg hin zu Ostern ist die heilige Woche, die mit dem Palmsonntag beginnt, entscheidend. Beim Evangelisten Lukas sind die irdischen Lebenstage Jesu eine einzige Pilgerreise von Galiläa nach Jerusalem. Dabei ist Jesus bewusst, dass das letzte Ziel seiner Pilgerreise der gewaltsame Tod am Kreuz sein wird.

 

Zwei Ereignisse auf seinem Pilgerweg nach Jerusalem zeigen uns Jesus nicht einfach als ein Opfer menschlicher Grausamkeit, sondern stellen das Hauptmotiv des Palmsonntags heraus: Jesus ist der Messias und unser König.

 

Erstens, auf dem Weg nach Jerusalem begegnet Jesus Bartimäus, dem blinden Bettler. Dieser schreit und bittet Jesus um Hilfe: „Sohn Davids hab Erbarmen mit mir“. Nachdem Jesus ihn geheilt hat, schließt sich Bartimäus ihm an und pilgert mit der Menge um Jesus weiter nach Jerusalem. Der davidische Titel und die damit verbundene Hoffnung auf Gottes Königtum wird später von der Menge übernommen: Schlägt mit dem Einzug Jesu in Jerusalem die Stunde, in der das Reich Davids wiederhergestellt wird?

 

Zweitens, die Vorbereitung für den Einzug in Jerusalem, die Jesus mit seinen Jüngern trifft, bestätigt die Hoffnung, dass er der Messias und der Sohn Davids ist. Jesus kommt von Bétfage und Betánien am Ölberg, von wo aus man die Ankunft des Messias erwartet. Der Herr schickt zwei seiner Jünger voraus in ein Dorf, um einen Esel zu holen. Sie bringen den jungen Esel zu Jesus, legen ihre Kleider auf das Tier und der Herr setzt sich darauf. Die Leute, die vor ihm hergehen und die ihm folgen, jubeln ihm zu: „Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe“ (Mk 11,1-10; Joh 12,12-16).

 

Für uns heute scheinen diese Ereignisse trivial zu sein, nicht aber für die Zeitgenossen Jesu, die darin das Symbol des Königtums und die Ankunft des verheißenen Messias erkannten. Mit der Ausleihe des jungen Esels macht Jesus Gebrauch vom in der Antike bekannten Königsrecht der Requisition von Transportmitteln. Dass niemand auf diesem jungen Esel zuvor gesessen hat, weist auf Jesu Königsrecht hin. Auf dieses Recht gehen Bibelstellen ausdrücklich ein. Im Matthäusevangelium (21,5) lesen wir: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.“

 

Mit dieser Stelle aus dem Buch des Propheten Sacharja (9,9), die der Evangelist Matthäus hier zitiert, wird das Königtum Jesu als friedlich charakterisiert. Dies hebt gleichzeitig die Hauptbotschaft des Palmsonntags hervor: Der König, der Einzug hält, ist friedfertig. Damit verweist das Fest des Einzugs des Herrn in Jerusalem auf die Kernbotschaft unseres Herrn Jesus Christus, die Seligpreisung:

 

Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben (Mt 5,5).

 

Das in der deutschen Einheitsübersetzung mit „die keine Gewalt anwenden“ übertragene Wort bezeichnet eigentlich die Sanftmütigen: Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben. Mit anderen Worten, der König, dessen Einzug in Jerusalem wir am Palmsonntag feiern, ist sanftmütig und friedfertig. Sein Königtum ist eine Herrschaft der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Wer Palmsonntag feiert und dem Herrn zuruft, „Hosanna Sohn Davids“, dem wird diese Sanftmütigkeit und Friedfertigkeit zum Auftrag. Friede im biblischen Sinn ist ein Zustand, den wir so sehr vermissen. Dabei geht es nicht einfach um Abwesenheit von Kriegen und um Verzicht auf Gewalt, sondern um eine echte Zivilisation der Liebe. Palmsonntag ruft uns dazu auf, unseren persönlichen Beitrag zum Aufbau einer friedvollen Welt zu leisten.