"Jeder kann ein Brückenbauer sein!"
Dr. Justin Kishimbe über die Fastenzeit, seine Doktorarbeit und Privates
NEUE TAG: Herzliche Gratulation nachträglich zur Verleihung des Doktortitels. Sie sind seit dem Jahr 2015 nun Kaplan der Pfarreiengemeinschaft Kulmain-Immenreuth. Erzählen Sie uns etwas über sich und ihren Werdegang.
Kaplan Justin: Danke schön ! Geboren bin ich am 19. Dezember in Kamina, was im Süden der Demokratischen Republik Kongo liegt. Nach meinem vierjährigen Studium an der Priesterschule in Fulda war ich zuerst dort vier weitere Jahre in einer Pfarrei als Kaplan tätig, bevor ich für ein Jahr am Regensburger Bezirksklinikum als Seelsorger wirken durfte. In meiner Freizeit spielte ich früher im Priesterseminar als Fußballer Stürmer, schaue aber auch heute noch interessiert Fußball im Fernsehen an. Ich lese viel und laufe sehr gerne. Dieses Jahr plane ich sogar am NOFI-Lauf in Kemnath mit teilzunehmen.
NEUE TAG: Mit dem Aschermittwoch begann ja die 40-tägige Fastenzeit. Viele Menschen nehmen sich hier den Verzicht auf irgendwelche weltlichen Dinge vor, ohne sich große Gedanken über einen religiösen Hintergrund zu machen. Ist dies nicht der verkehrte Weg ?
Kaplan Justin: Nein, absolut nicht. Der Ursprung des Handelns liegt schließlich in der Religiösität des Menschen. Es geht im Prinzip darum, den eigenen Lebensstil zu erneuern, sich bewusst zu machen, dass unser täglicher Konsum nur zweit- oder drittrangig ist. Es geht darum, sich selbst zu hinterfragen mit Themen wie, wie gestalte ich meinen Alltag ohne den Konsum von übermäßig viel an Essen und Trinken oder beispielsweise auch den unbedachten Konsum der Medien, wie Handy, Laptop oder TV. Es gilt seine Gewohnheiten bewusster zu überdenken und auch durchaus in Frage zu stellen.
NEUE TAG: Viele nehmen sich hier jedes Jahr sehr viel vor. Nur wenige halten aber die 40 Tage Fastenzeit (ohne die Sonntage) auch durch oder brechen früher ab als vorgenommen. Wo kann die Kirche hier dem ein oder anderem konkret eine Hilfestellung anbieten ?
Kaplan Justin: Die drei Säulen in der Kirche während der Fastenzeit heißen traditionell Beten, Fasten, Almosen geben. Mit dem Sakrament der Buße kurz vor dem Osterfest wird diese abgerundet. Konkrete Beispiele zum Anfassen sind beispielsweise der Besuch der ein oder anderen Fastenpredigt des Pfarrgemeinderats in unserer Herz-Jesu-Kirche, die jeden Freitag ab dem 10. März dort stattfinden wird. Ich persönlich freue mich sehr auf die „Gastprediger“ wie beispielsweise Pfarrer Edmund Prechtl oder auch dem gebürtigen Immenreuther Pfarrer Markus Schmid.
NEUE TAG: In ihrer Doktorarbeit behandeln sie die zunehmende Distanz zwischen der traditionellen Kirche und der heutigen modernen Zeit. Sie sehen es als Herausforderung hier Brücken zu bauen. Wo sind die Baustellen und wo können die Menschen zusammen anpacken, dass der christliche Glaube wieder einen höheren Stellenwert in unseren Familien bekommt ?
Kaplan Justin: Das Evangelium wurde seit Jesus Christi zwar nie neu erfunden, aber immer wieder in seiner Auslegung neu angepasst. Viele Vertreter in den letzten Jahrhunderten (wie beispielsweise die Franzosen Marie-Dominique Chenu oder Yves Congar) haben darauf aufmerksam gemacht, dass man die kirchliche Traditionen einerseits, sowie das Leben und das Bewusstsein der jeweiligen Zeit andererseits immer wieder aufeinander abstimmen muss. Dies darf jedoch nicht andauernd nach Belieben geschehen, sondern muss sich an dem Werteverständnis des Evangeliums orientieren.
NEUE TAG: Papst Franziskus fällt durch sein Verhalten und spontanen Aktionen hier immer wieder auf, der unkompliziert und sehr volksnah wirkt. Was kann er, was wir alle anscheinend nicht zu verstehen wissen ?
Kaplan Justin: Lassen Sie es mich an zwei Gleichnissen aus der Bibel erklären. Beim Gleichnis von den „anvertrauten Talenten“ schildert Jesus einen Herren, der seine Knechte reich mit finanziellen Mitteln ausstattet, sich dann auf Reisen begibt und nach seiner Rückkehr Abrechnung hält. Die ersten beiden Knechte erwirtschaften Gewinn. Das Geld des Letzten hingegen, der aus Angst gar nichts investierte und es stattdessen vergrub, lässt der Herr wegnehmen und spricht es zu Recht dem Erfolgreichsten zu.
NEUE TAG: Und wie kann man dies auf die Herausforderung in der heutigen Zeit übertragen ?
Kaplan Justin: Es geht darum, dass Evangelium und sein Werteverständnis wieder besser zu verstehen und diese Erkenntnis daraus auch zu investieren. Seine Talente zu vergraben, kann schnell in einen Irrweg führen. Es geht darum das Evangelium in der heutigen Zeit umzusetzen, die eigenen guten Gedanken und Taten zu vermehren und auch weiter zu geben – kurz gesagt, sie in unseren Alltag einfließen zu lassen. Ich denke, wir haben hier auch eine Verantwortung unseren Nachkommen gegenüber.
NEUE TAG: Und das zweite Gleichnis ?
Kaplan Justin: Es handelt vom „barmherzigen Samariter“, der einem Mann, der von Räubern ausgeplündert und schwer verletzt wurde, spontan half und ihm wohl das Leben rettete. Vorüberkommende Geistliche hingegen halfen dem Mann zuvor nicht, da es grob gesagt nicht deren damaligen Vorschriften entsprach. Übertragen auf unsere Zeit heißt dies, dass man nicht lange fragen oder Argumente gegeneinander abwägen soll. Das spontane TUN ist eine Chance, die wir alle jeden Tag aufs Neue erhalten.
NEUE TAG: Also brauchen wir eine Erneuerung auch von unten und nicht unbedingt beispielsweise in den Strukturen der Kirche ?
Kaplan Justin: Jeder muss bei sich selber anfangen und sich an der eigenen Nase fassen, wie es so schön heißt (lacht). Aufeinander zugehen heißt ja nicht, dass der eine auf den anderen wartet, bis dieser den ersten Schritt geht. Man muss schon selber aktiv werden und auch mal im Leben bereit sein ein Risiko einzugehen und vielleicht auch enttäuscht zu werden. Diese Entwicklung ist zudem ein dynamischer Prozess, der nicht nach dem ersten zwei, drei Schritten aufhören darf.
NEUE TAG: Vielen Dank !